Gesprächspartner:
- LAbg. Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer, Obmann OÖ Hilfswerk und Aufsichtsratsvorsitzender OÖ Hilfswerk GmbH
- DDr. Paul Eiselsberg, IMAS International GmbH
- Prim. Dr. Kurosch Yazdi, Vorstand Kepler Universitäts-Klinikum, Schwerpunkt Suchtmedizin
- Mag. Dr. Viktoria Tischler, Geschäftsführerin OÖ Hilfswerk
Kinder wachsen bereits in einer Mediengesellschaft auf und können heute nicht mehr von den Neuen Medien ferngehalten werden, denn deren Gebrauch ist unser Alltag. Wir telefonieren, schreiben E-Mails, surfen auf dem Handy, posten Fotos auf Facebook: Unsere Kinder beobachten dies täglich, bewusst und unbewusst. Die Frage ist nicht, ob Kinder mit den neuen Medien in Kontakt kommen, sondern wann und wie.
In der heutigen Fachtagung zum Thema „Kinder und Neue Medien“ diskutierten Fachexperten und Pädagoginnen und Pädagogen über zukünftige Entwicklungen, Maßnahmen und Strategien und lieferten fachspezifische Informationen.
LAbg. Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer
„Neue Medien sollten alters- und kindgerecht genutzt werden“
„Kinder und Jugendliche kommen immer früher mit digitalen, vernetzten Medien in Kontakt. Die Neuen Medien bringen bei allen Möglichkeiten jedoch auch eine Vielzahl an Herausforderungen und Gefahren mit sich. Mit der heutigen Fachtagung will das Hilfswerk OÖ Maßnahmen und Strategien für eine alters- und kindgerechte Nutzung von neuen Medien aufzeigen und Pädagoginnen und Pädagogen in den oberösterreichischen Kinderbetreuungseinrichtungen informieren“, so OÖ Hilfswerk-Obmann Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer.
„Wichtig ist, dass Kindern sogenannte Medienkompetenz vermittelt wird. Das bedeutet, dass Kinder für sich selbst Sinnvolles und Interessantes aus dem vielfältigem Medienangebot auswählen sowie die medialen Inhalte einordnen und kritisch hinterfragen können, statt wahllos zu konsumieren. Dabei brauchen sie die Begleitung Erwachsener“, betont Hattmannsdorfer.
Auf Basis der Fachtagung leitet Hattmannsdorfer insbesondere folgende politische Forderungen ab:
- Die Medienkompetenz von Kindern muss als integraler Bestandteil einer zeitgemäßen Allgemeinbildung gestärkt werden.
- Es braucht sogenannte „Disconnect Weeks“ in allen Schulstufen: z. B.: eine Woche, in der Schüler ohne Internet und Handy auskommen sollen – wenn möglich sogar ohne Fernseher. Die vorhandene Zeit soll stattdessen mit sozialen Aktivitäten, mit Leseevents und Projektwochen verbracht werden. Die Teilnahme soll natürlich auf freiwilliger Basis erfolgen.
- Der Zugang zu Internetseiten mit pornografischen Inhalten muss erschwert werden
- Stärkung des technischen Jugendschutzes: Hersteller mobiler Endgeräte sollten verpflichtet werden, ein Jugendschutzprogramm zu installieren, bei dem sich der Nutzer bei der ersten Nutzung aktiv gegen die Verwendung des Jugendschutzprogramms entscheiden muss.
DDr. Paul Eiselsberg
„Das Internet ist für die junge Generation die mit Abstand wichtigste Freizeitaktivität“
Je zwei Fünftel der 14 bis 20-Jährigen nutzen das Internet dabei oft um E-Mails zu schreiben, für Instant Messaging und die Nutzung von sozialen Medien. Facebook ist das mit Abstand beliebteste soziale Netzwerk, welches von 73% der 14 bis 20-Jährigen im letzten Monat genutzt wurde. Mehr als die Hälfte dieser Altersgruppe war in den letzten 4 Wochen auf WhatsApp aktiv oder hat YouTube genutzt.
Das Internet ist für diese Generation die mit Abstand wichtigste Freizeitaktivität. Freunde treffen kommt erst mit deutlichem Abstand auf Platz zwei.
Prim. Dr. Kurosch Yazdi
„Immer mehr Kinder und Jugendliche leiden an einer Internetsucht“
Zunehmend mehr Menschen suchen Beratung oder Behandlung in Bezug auf übermäßigen oder gar krankhaften Internetkonsum. Die Internetabhängigkeit verzeichnet in den letzten Jahren weltweit eine deutliche Zunahme an Betroffenen.
„Dies ist leicht erklärbar durch das rasch zunehmende Angebot im Sinne von immer weiterer Verbreitung und günstigerem Zugang ins Netz, wodurch das Suchtmittel leichter verfügbar ist“, sagt Prim. Dr. Kurosch Yazdi, Vorstand Kepler Universitäts-Klinikum und Leiter der Ambulanz für Suchtmedizin. „Das Einstiegsalter für den Internetgebrauch wird immer niedriger. Kinder sind besonders gefährdet, aufgrund der geringen Fähigkeit der Selbstbegrenzung, sowie aufgrund der Schwierigkeiten vieler Eltern zur adäquaten Steuerung der Quantität und Inhalte der Internetnutzung ihrer Kinder.“
Für Österreich gibt es Prävalenzdaten (2012): 3,1% der 15-jährigen ÖsterreicherInnen leiden an Internetsucht (n=943), wobei der europäische Durchschnitt in dieser Studie bei 4,4% lag (n=11.956). Aber diese Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen, weil die Prävalenz stark im Steigen begriffen ist und somit keine Schätzung für 2017 für Österreich daraus erfolgen kann.
Die häufigsten Formen der Internetsucht sind Abhängigkeit von Social Media (wie z.B. Facebook, Twitter und Co), Surfen bzw. (Pseudo-)Informationssuche, Online-Computerspiele (Online-Rollenspiele und Online-Egoshooter), sowie Online-Pornografie.
Ab wann ist man süchtig?
Von einer Internetsucht spricht man, wenn folgende Tatsachen ganz oder zum Teil zutreffen:
- Einengung des Verhaltensraums: Wenn über längere Zeitspannen der größte Teil des Tageszeitbudgets zur Internetnutzung verausgabt wird.
- Kontrollverlust: Wenn die Person die Kontrolle über ihre Internetnutzung weitgehend verloren hat bzw. Versuche, das Nutzungsausmaß zu reduzieren oder die Nutzung zu unterbrechen, erfolglos bleiben oder erst gar nicht unternommen werden (obwohl das Bewusstsein für dadurch verursachte persönliche oder soziale Probleme vorhanden ist).
- Toleranzentwicklung: Wenn immer mehr und mehr Zeit im Internet verbracht werden muss, um kurzfristig zufrieden zu sein.
- Entzugserscheinungen: Wenn Entzugserscheinungen als Beeinträchtigungen psychischer Befindlichkeit (Unruhe, Nervosität, Unzufriedenheit, Gereiztheit, Aggressivität) und psychisches Verlangen („craving“) nach der Internetnutzung als Folge einer längeren Unterbrechung der Internetnutzung auftreten.
- Negative soziale Konsequenzen: Wenn wegen der Internetaktivitäten negative soziale Konsequenzen in den Bereichen Arbeit und Leistung sowie soziale Beziehungen (z.B. Ärger mit Freunden oder Arbeitgeber) eingetreten sind.
Mag. Dr. Viktoria Tischler
„Hilfswerk betreut mehr als 6000 Kinder in Oberösterreich“
„Mit der heutigen Fachtagung wollen wir die Pädagoginnen und Pädagogen über den Umgang mit neuen Medien informieren und aber auch allgemein für das Thema sensibilisieren“, unterstreicht Mag. Dr. Viktoria Tischler, Geschäftsführerin OÖ Hilfswerk. „Alleine das OÖ Hilfswerk betreut mehr als 6000 Kinder in Oberösterreich. Für uns ist es wichtig, rechtzeitig auf Herausforderungen zu reagieren und aktuelle Entwicklungen proaktiv aufzugreifen und mitzugestalten“, so Tischler.
Fotograf: Dr. Roland Pelzl - Cityfoto
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