Sie sind vernetzt, reflektiert - und oft verunsichert: Wie geht es jungen Menschen im Jahr 2025 wirklich? Ein Einblick in die Lebenswelt der "Generation Alpha" - direkt aus den Jugendzentren des Tennengaus.
Redaktion: Herr Kronewitter, Sie arbeiten täglich mit Jugendlichen - wie würden Sie das Lebensgefühl junger Menschen im Jahr 2025 beschreiben? Was bewegt sie besonders?
Fabian Kronewitter: Das Lebensgefühl vieler Jugendlicher im Jahr 2025 ist stark geprägt von Widersprüchen. Auf der einen Seite erleben sie enorme Freiheitsgrade, technologische Möglichkeiten und ein wachsendes Bewusstsein für globale Themen wie Klimakrise oder soziale Gerechtigkeit. Auf der anderen Seite spüren sie Druck durch gesellschaftliche Erwartungen, permanente Vergleichbarkeit in sozialen Medien und oftmals Unsicherheiten in der persönlichen Orientierung. Viele Jugendliche suchen nach Halt, Zugehörigkeit und echten Beziehungen.
Redaktion: Welche Herausforderungen erleben Jugendliche heute besonders stark - sei es psychisch, sozial oder im familiären Umfeld?
Psychische Belastungen haben in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Themen wie Angststörungen, depressive Verstimmungen oder soziale Rückzüge begegnen uns regelmäßig. Auch familiäre Spannungen - etwa aufgrund von Überforderung der Eltern oder ökonomischem Druck - spielen eine Rolle. Viele Jugendliche erleben zudem Orientierungslosigkeit, gerade in einer Welt, die sich rasant verändert und wenig verlässliche Perspektiven bietet.
Redaktion: Was bekommen Sie und Ihr Team konkret in den Jugendzentren wie dem "Timeout" oder in der aufsuchenden Jugendarbeit im "Outside" mit? Welche Sorgen oder Wünsche äußern die Jugendlichen?
In unseren Einrichtungen erleben wir Jugendliche mit einem hohen Bedürfnis nach Sicherheit, echter Beziehung und respektvoller Kommunikation. Viele sprechen über Zukunftsängste, aber auch über den Wunsch, gehört zu werden und mitgestalten zu können. Die Themen reichen von Konflikten in Schule und Familie über Fragen zur Identität bis hin zu ganz praktischen Anliegen wie etwa Freizeitgestaltung, Bewerbung oder Wohnen. Was sie vereint: Sie suchen Orte, an denen sie ohne Leistungsdruck einfach sie selbst sein dürfen.
Redaktion: Hat sich die Art, wie Jugendliche ihre Freizeit gestalten, in den vergangenen Jahren verändert? Welche Rolle spielen soziale Medien, Gaming, aber auch Sport oder Kreativität?
Ja, Freizeitverhalten hat sich stark gewandelt. Digitale Räume sind längst nicht mehr nur Freizeit, sondern ein zentraler Teil jugendlicher Lebensrealität. Social Media und Gaming bieten sowohl Austausch als auch Ablenkung. Dies kann aber auch zu Vereinsamung und Druck führen. Gleichzeitig erleben wir auch ein wachsendes Interesse an analogen Angeboten wie zum Beispiel kreative Workshops, Sportangebote oder einfaches Zusammensitzen im Jugendzentrum sind sehr gefragt. Es geht vielen Jugendlichen um Balance zwischen Rückzug und Begegnung, zwischen digital und analog.
Redaktion: Wie erleben Sie den Umgang Jugendlicher mit Leistungsdruck - etwa in Schule, Ausbildung oder im Vergleich zu anderen über Social Media?
Leistungsdruck ist ein zentrales Thema. Viele Jugendliche vergleichen sich ständig nicht nur in der Schule, sondern auch über Social Media. Der ständige Blick auf "perfekte" Leben erzeugt das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Dazu kommt die Sorge, in einer zunehmend unübersichtlichen Welt nicht mithalten zu können. Unsere Aufgabe ist es oft, jungen Menschen alternative Sichtweisen zu ermöglichen, sie zu stärken und zu ermutigen, eigene Wege zu gehen, abseits von Perfektionismus und Überforderung.
Redaktion: Gibt es Unterschiede zwischen Stadt und Land? Nehmen Jugendliche in ländlichen Regionen andere Herausforderungen wahr als ihre Altersgenossen in der Stadt?
Definitiv. In ländlichen Regionen erleben wir oft ein geringeres Freizeitangebot, längere Wege und eine stärkere soziale Kontrolle. Das kann zu Rückzug oder dem Gefühl von Perspektivlosigkeit führen. Gleichzeitig entstehen aber auch sehr enge Gemeinschaften. In städtischen Gebieten ist das Angebot größer, die Diversität höher, das bringt mehr Möglichkeiten, aber auch Überforderung. Die Themen ähneln sich, aber der Kontext macht den Unterschied.
Redaktion: Was können Eltern konkret tun, um ihre Kinder gut durch die Pubertät zu begleiten - vor allem in einer Zeit, in der so vieles im Umbruch scheint?
Zuhören und das echt und ohne Vorurteile. Jugendliche brauchen das Gefühl, dass ihre Themen ernst genommen werden, auch wenn sie für Erwachsene vielleicht schwer nachvollziehbar sind. Wichtig ist auch, Vertrauen zu schenken, statt Kontrolle auszuüben. Vorbild sein im Umgang mit Konflikten, Emotionen und Unsicherheiten.
Redaktion: Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit Eltern? Holen sie sich Rat oder Unterstützung bei Ihnen?
Ja, zunehmend. Viele Eltern sind heute reflektiert und offen für Unterstützung. Besonders in Krisensituationen wie etwa bei Schulverweigerung, Konflikten oder psychischen Belastungen suchen sie das Gespräch. Unsere Rolle ist oft die einer Brücke zwischen Jugendlichen, Eltern und anderen Systemen wie Schule oder psychosozialer Beratung.
Redaktion: Gibt es Themen, bei denen Sie sich wünschen würden, dass Erwachsene früher oder offener das Gespräch mit ihren Kindern suchen?
Ja, besonders bei sensiblen Themen wie psychische Gesundheit, Sexualität, Suchtverhalten oder digitale Medien. Viele Jugendliche erleben hier Unsicherheiten, während Erwachsene aus Scham oder Angst vor Fehlern schweigen. Dabei wünschen sich viele Jugendliche, dass jemand da ist, der ehrlich mit ihnen spricht - dies sollte ohne Druck oder Belehrung stattfinden.
Redaktion: Und zum Schluss: Wenn Sie Eltern einen einzigen Rat mit auf den Weg geben könnten - welcher wäre das?
Seien Sie ein sicherer Hafen, jemand, zu dem man immer zurückkehren kann, auch wenn draußen Sturm ist. Vertrauen, Offenheit und bedingungslose Annahme sind die stärksten Grundlagen für eine gesunde Entwicklung, gerade in herausfordernden Zeiten.