Rund 950.000 Menschen in Österreich übernehmen regelmäßig Pflegeaufgaben für Familienmitglieder oder nahestehende Personen – still, oft unbezahlt und meist zusätzlich zu Beruf und Familie.
Immer mehr Pflegebedürftige, immer weniger Helfer*innen
Gernot Filipp von der Landesstatistik Salzburg machte gleich zu Beginn klar: Die Herausforderungen nehmen rasant zu. „Im Jahr 2001 hatten wir in Salzburg rund 17.000 Pflegebedürftige. 2021 waren es bereits 26.000 – und die Prognosen zeigen einen weiteren massiven Anstieg“, so Filipp. Gleichzeitig sinkt die Zahl jener, die potenziell einspringen könnten: „Weniger Kinder, mehr Einpersonenhaushalte, steigende Erwerbstätigkeit von Frauen – all das führt dazu, dass Angehörige immer seltener verfügbar sind.“
Sein Fazit: „Wir müssen langfristig denken. Wer heute glaubt, die demografische Entwicklung sei eine Zukunftsfrage, irrt. Sie ist längst Realität.“
Wer pflegt tatsächlich?
Ebenfalls Antworten lieferte eine aktuelle umfassende Erhebung von Armin Mühlböck im Auftrag des Hilfswerk Salzburg unter 506 pflegenden Angehörigen: „Drei Viertel der pflegenden Angehörigen sind Frauen, im Schnitt etwa 60 Jahre alt. Viele von ihnen pflegen täglich, oft mehrmals am Tag – zusätzlich zu Beruf, Kindern und Haushalt.“ Die Belastung sei enorm: „Drei von vier fühlen sich belastet, ein Drittel sogar sehr stark.“
Besonders häufig geht es dabei nicht nur um medizinische Tätigkeiten, sondern um Alltag und Zuwendung: „Gesellschaft leisten, Essen zubereiten, Hausarbeit – das sind die häufigsten Aufgaben. Dahinter steckt unglaublich viel Zeit und Energie.“
Zwischen Optimismus und Überforderung
Trotz der hohen Belastung zeigten die Befragten auch Hoffnung. „Viele sagen: ‚Ja, ich kann das leisten, auch längerfristig‘. Aber sie verknüpfen es klar mit Bedingungen: bessere finanzielle Absicherung, mehr Entlastungsangebote wie Kurzzeitpflege oder Tageszentren und eine bessere Vereinbarkeit mit dem Beruf“, erklärte Mühlböck.
Martin Nagl-Cupal von der Universität Wien erinnerte daran, dass Angehörige „der größte Pflegedienst der Nation“ seien – und dabei selbst ein hohes Risiko für Überlastung tragen.
„Pflegende Angehörige brauchen starke Partner“
Für Christian Struber ist klar, dass Organisationen wie das Hilfswerk hier eine Schlüsselrolle haben: „Wir wollen die Angebote ausbauen – von Tageszentren über Kurzzeitpflege bis hin zu niederschwelliger Beratung. Gleichzeitig braucht es die Politik: mit klarer finanzieller Absicherung und weniger Bürokratie.“
Struber betonte, dass es dabei nicht nur um soziale Verantwortung, sondern auch um Wertschätzung gehe: „Pflegende Angehörige leisten Unbezahlbares. Sie verdienen Sichtbarkeit, Anerkennung und Entlastung.“
Stimmen aus der Praxis
Zum Abschluss der Fachtagung gab es eine Frage- und Dialogrunde. Eine Zuhörerin, selbst pflegende Angehörige, schilderte eindringlich die Herausforderungen aus eigener Sicht: „Die Digitalisierung ist nicht für alle eine Hilfe – ich bin 65 Jahre und digital nicht so fit. Wenn Anträge nur mehr online gestellt werden können, ist das daher schwierig.“ Sie wies auch auf ein weiteres sensibles Thema hin: „Bei Pflegegeld-Einstufungen wird oft gefragt, was die gepflegte Person noch alles kann. Viele schämen sich dann und sagen, sie können sich selbst anziehen oder zur Toilette gehen – obwohl es eigentlich nicht mehr geht. Hier braucht es mehr Feingefühl.“
Die Botschaft der Tagung
Die Fachtagung machte deutlich: Angehörige sind das Rückgrat der Pflege in Salzburg und in ganz Österreich. Doch ohne mehr Unterstützung wird diese stille Pflegekraft an ihre Grenzen stoßen. Oder wie es Filipp ausdrückte: „Die demografische Welle rollt – wir müssen jetzt handeln.“
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