Was früher leichtfertig als „Zappelphilipp“ belächelt wurde, ist heute als ADHS bekannt eine neurologische Entwicklungsstörung, die weit mehr ist als ein unruhiges Kind, das nicht stillsitzen kann. Dabei ist das Bild, das viele davon im Kopf haben, oft verzerrt. ADHS, die Aufmerksamkeitsdefizit-
und Hyperaktivitätsstörung, betrifft Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Mädchen ebenso wie Jungen, Frauen ebenso wie Männer. Und doch wird es noch immer häufig übersehen, fehlinterpretiert oder stigmatisiert.
ADHS zeigt sich in Form von Aufmerksamkeitsproblemen, Impulsivität und manchmal Hyperaktivität. Es ist eine Störung, die das Denken, Fühlen und Handeln gleichermaßen beeinflussen kann. Die Diagnose ist komplex, denn nicht jedes unruhige Kind hat ADHS und nicht jede Person mit ADHS wirkt unruhig. Vor allem bei Mädchen zeigt sich die Störung oft anders: stiller, verträumter, unauffälliger und bleibt deshalb lange unentdeckt. Erst im Erwachsenenalter, manchmal durch die Diagnostik der eigenen Kinder, fällt vielen Frauen rückblickend auf, dass auch sie betroffen sind.
Das macht eine frühe und fundierte Diagnostik so entscheidend und gleichzeitig so anspruchsvoll. Es reicht nicht, ein Kind in einer Situation zu beobachten. ADHS muss in verschiedenen Lebensbereichen auffallen, und einen Leidensdruck verursachen. Das bedeutet: Die Schwierigkeiten müssen sich nicht nur in der Schule, sondern auch zu Hause oder im sozialen Umfeld zeigen. Eine verlässliche Diagnose stützt sich deshalb auf viele Quellen: ausführliche Gespräche mit Eltern und Pädagog*innen, standardisierte Fragebögen, klinische Beobachtungen und psychologische Testverfahren, etwa zur Konzentration oder Intelligenzstruktur.
Doch bevor überhaupt von ADHS gesprochen werden kann, gilt es, andere mögliche Ursachen auszuschließen. Denn auch emotionale Belastungen, wie die Trennung der Eltern, Überforderungen in der Schule, oder medizinische Gründe wie Schilddrüsenfunktionsstörungen, können ähnliche Symptome hervorrufen. Erst wenn all diese Faktoren berücksichtigt sind, kann ADHS sicher diagnostiziert werden. Gerade im Alltag sind die Herausforderungen für betroffene Familien oft enorm. Kinder mit ADHS sind häufig sprunghafter, impulsiver, lauter. Sie reagieren anders, überschreiten Grenzen, handeln oft, bevor sie denken. Das bringt Konflikte in der Schule, in der Familie, in Freundschaften. Eltern berichten nicht selten von regelrechten „Hausaufgaben-Dramen“, von Kindern, die sich nur unter Protest an den Tisch setzen, die nach wenigen Minuten aufstehen, sich ablenken lassen, frustriert reagieren oder einfach verweigern. Die emotionale Belastung ist oft groß auf beiden Seiten.
Aber ADHS bedeutet nicht nur Belastung. Viele betroffene Kinder sind lebhaft, kreativ, begeisterungsfähig, humorvoll und voller Energie. Sie
denken schnell, fühlen intensiv und sehen die Welt aus ungewöhnlichen Blickwinkeln. Eigenschaften, die in der richtigen Umgebung zur
Stärke werden können. In der Welt der Schauspielkunst, im Sport, in der Musik oder in kreativen Berufen begegnet man nicht selten Menschen, die offen von ihrer ADHS-Diagnose sprechen nicht als Makel, sondern als Teil ihrer Persönlichkeit.
Dennoch ist Hilfe wichtig, besonders im Kindes- und Jugendalter, wenn Weichen gestellt werden. Entgegen vieler Vorurteile gehört die medikamentöse Behandlung nach wie vor zu den wirksamsten Therapieformen, gerade bei stark ausgeprägter Symptomatik. Moderne Medikamente wie Methylphenidat helfen gezielt dort, wo ein Mangel an Botenstoffen wie Dopamin besteht. Sie verbessern Konzentration, Impulskontrolle und Selbstregulation. Wichtig ist dabei: Die Medikation wirkt schnell, ist gut steuerbar und anders als häufig behauptet kein Einstieg in eine spätere Drogenabhängigkeit. Studien zeigen im Gegenteil, dass eine angemessene Behandlung sogar vor Suchterkrankungen schützen kann.
Doch Medikamente allein reichen nicht aus. Eine umfassende Betreuung braucht mehr. Besonders hilfreich sind strukturierte Elterntrainings, die Familien dabei unterstützen, klare Tagesabläufe, verbindliche Regeln und einen stabilen Rahmen zu schaffen. Ergänzend dazu können Verhaltenstherapie, Konzentrationstrainings oder Neurofeedback eingesetzt werden. Auch Bewegung spielt eine entscheidende Rolle: Sport hilft, überschüssige Energie abzubauen und das Gehirn zu regulieren. Bereits elf Minuten gezielte körperliche Aktivität können messbare Effekte auf die Konzentrationsfähigkeit haben.
Ein oft unterschätzter, aber bedeutsamer Faktor ist die Ernährung. Zucker, künstliche Farb- und Konservierungsstoffe können die Symptomatik verstärken, während Omega-3-Fettsäuren positive Wirkungen auf das Gehirn entfalten. Auch ein gesunder Schlafrhythmus, begrenzter Medienkonsum und ausreichend Pausen im Alltag tragen zur Stabilisierung bei. Was vielen nicht bewusst ist: ADHS ist zu einem großen
Teil genetisch bedingt. Die Forschung geht von einer Erblichkeit von bis zu 80 % aus. Das erklärt auch, warum in vielen Familien gleich
mehrere Generationen betroffen sind, oft ohne es zu wissen. Manche Eltern erkennen sich selbst in der Beschreibung ihrer Kinder wieder und beginnen, ihre eigene Geschichte neu zu hinterfragen. Nicht selten führt die Diagnostik eines Kindes zu einer späten Diagnose bei Mutter oder Vater.
Gerade bei Frauen ist der Leidensdruck oft groß, weil ihre ADHS lange übersehen oder falsch gedeutet wurde. Stattdessen erhalten viele eine andere Diagnose, etwa Borderline oder werden als instabil, launisch oder überfordert abgestempelt. Dabei zeigt sich ADHS bei Mädchen und Frauen häufig in Form von innerer Unruhe, emotionaler Instabilität, Perfektionismus oder Impulsivität - nicht laut und auffällig, sondern still und erschöpfend. Das macht die Aufklärung umso wichtiger. Noch immer halten sich viele Mythen: ADHS sei nur eine Modeerscheinung. Medikamente würden Kinder ruhigstellen. Eltern hätten versagt. Nichts davon entspricht der Realität. ADHS ist kein neues Phänomen, es gab diese Kinder schon immer. Der Unterschied ist nur: Heute verstehen wir besser, was in ihnen vorgeht.
Es liegt an uns als Gesellschaft, ihnen mit Verständnis zu begegnen und den Familien die Unterstützung zu geben, die sie brauchen. Denn jedes Kind mit ADHS ist mehr als seine Diagnose. Es ist ein Mensch mit Potenzial, Ideen, Talenten und dem Recht, gesehen und gefördert zu werden.
bis zu 7 % der Kinder und Jugendlichen von ADHS betroffen sind?
ADHS als eine der häufigsten psychiatrischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter gilt?
die Diagnose bei Jungen deutlich häufiger (etwa drei bis vier Mal) gestellt wird, als bei Mädchen?
bei Mädchen die unaufmerksame Form ADS überwiegt, die leicht übersehen wird?
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