Wasim arbeitet beim Hilfswerk Steiermark im Mobilen Dienst – und das mit voller Überzeugung. In die Pflege kam er aber erst durch Umwege. Wir haben mit ihm gesprochen: Über Stolpersteine beim Berufswechsel, Vorurteile und die notwendige Empathie in der Branche.
Hi Wasim und danke, dass du dir für unser Interview Zeit genommen hast. Du arbeitest als Heimhelfer im Hilfswerk, warst davor aber in einer ganz anderen Branche tätig. Wie bist du zur Pflege gekommen?
Ich war 8 Jahre lang Kunststofftechniker in einer kleinen Werkstatt. Mit der Zeit wurde es eintönig, mir haben die sozialen Kontakte gefehlt und dementsprechend war meine Laune nach der Arbeit. Meine Mutter hat mich damals motiviert, mit etwas zu suchen, das mir Spaß macht. Sie hat mir auch den Vorschlag gemacht, etwas im Pflegebereich zu starten (Anm.: Wasims Mutter war selbst DGKP und beim Wiener Hilfswerk tätig). Also habe ich ein Praktikum in einem Altersheim gestartet - und ich hatte von Anfang an eine Freude. Beim AMS musste ich trotzdem ein Jahr lang kämpfen, um die Berufssparte überhaupt wechseln zu können. Immer wieder wurde ich zu Leihfirmen geschickt bei denen ich mich bewerben musste. Das tat ich auch, die haben aber geschaut als ich meine Bewerbung für eine Pflegestelle vorlegte, obwohl ein Staplerfahrer gesucht war (lacht).
Ich bin schlussendlich durch die ZAM Stiftung zur Heimhelfer-Ausbildung gekommen und war dann schon beim Hilfswerk schnuppern. Und ich habe sofort gemerkt, dass es das Richtige ist: Die Arbeit, die Kolleginnen und Kollegen und die Kundinnen und Kunden – die freuen sich, wenn ich zu ihnen komme. Das ist unbezahlbar und da weiß man, man ist im richtigen Beruf!
Du wirst auch bald deine Ausbildung zum Pflegeassistenten beginnen. Was begeistert dich so am Pflegeberuf?
In der Hauskrankenpflege mag ich die Individualität ganz besonders. Jeder Mensch ist in seinen vier Wänden, man lernt die Persönlichkeit kennen. Es ist abwechslungsreich, deshalb gibt es auch kein „Muss“. Oft muss man seine Planung aufgrund der Verfassung der Kundinnen und Kunden ändern oder braucht statt einer halben Stunde eben eine Stunde. Das wäre im stationären Dienst nicht machbar.
Ich freue mich auch darauf, wenn ich nach meiner Pflegeassistenz-Ausbildung zurückkomme und noch mehr Wissen habe, mehr anbieten kann. Für mich ist Pflege wirklich nicht nur Beruf, sondern Berufung.
Als du deinen Berufswunsch geäußert hast, hatten andere Menschen Vorurteile?
Ja, der Job wird immer noch oft belächelt. Die Leute denken, als Heimhelfer darf man nur putzen und saubermachen, aber es ist so viel mehr. Du musst empathisch sein, du musst die Leute entlasten, sie auf andere Gedanken bringen. Wenn man mit dem Ziel zur Arbeit geht, dass man wirklich entlasten möchte, dann schafft man es auch.
Wenn man mit dem Ziel zur Arbeit geht, dass man wirklich entlasten möchte, dann schafft man es auch.
Hast du oft zu hören bekommen, Pflegejobs sind „Frauensache“?
Ja natürlich, nicht nur was die Pflegetätigkeit angeht. Auch wenn ich für Kundinnen koche, höre ich etwa von Damen immer wieder Sätze wie „Wenn das mein Mann sehen würde, der würde sich im Grab umdrehen“. Weil es früher eben nicht so war, dass Männer kochten. Dann muss ich immer lachen und erklären, dass das heutzutage ganz normal ist.
Wie gehst du mit Vorurteilen um? Versuchst du dich zu erklären?
Nein, meistens sind das Menschen aus ganz anderen Branchen, da fange ich nicht immer an mich zu erklären. Manchmal ist es auch lustig. Letztens zum Beispiel, da stehe ich an der roten Ampel mit dem Hilfswerk-Auto und ein Mann im Auto neben mir sagt zu mir: „Du bist a a oamer Hund“. Ich war zuerst verwirrt. Dann habe ich mir das gleiche gedacht, als ich das Installateur-Auto gesehen hab (lacht). Andererseits darf man auch selbst keine Vorurteile haben in einem Pflegejob.
Wie meinst du das?
Manchmal kommen wir auch zu Haushalten, in denen es anders aussieht wie gewohnt, womöglich etwas unordentlicher. Das darf man nicht gleich verurteilen - im Gegenteil. Wenn ich in so einen Haushalt komme, gebe ich mir noch mehr Mühe. Da ist auch mehr Einfühlungsvermögen gefordert, denn viele wissen, dass sie ein Problem haben, das möchten sie aber auf keinen Fall fremden Leuten zeigen. Solche Probleme haben immer ihre Ursachen, womöglich steckt ein Schicksalsschlag dahinter. Wenn man sich bemüht, eine Bindung aufzubauen merkt man, dass die Klient:innen sich zu öffnen beginnen und dir ihr Vertrauen schenken.
Viele wissen, dass sie ein Problem haben, möchten es aber keinesfalls Fremden zeigen. Da ist noch mehr Einfühlungsvermögen gefragt.
Woher nimmst du die Einstellung?
Ich habe früher viel Freiwilligenarbeit geleistet und einiges mitbekommen, in Obdachlosenheimen zum Beispiel. Da erfährt man, solche Schicksalsschläge können jedem und jeder passieren. Deshalb darf man nicht voreingenommen sein. Oft reicht es den Leuten zuzuhören, das hilft ihnen schon. Mir hat es auch geholfen, ich habe einiges gelernt: Man denkt sich am Anfang nur Menschen aus „unteren Schichten“ sind obdachlos – aber ganz im Gegenteil. Ich habe keinen Analphabeten auf der Straße kennen gelernt aber viele Professoren und ehemalige Selbstständige.
Was kannst du Menschen mitgeben, die mit dem Gedanken spielen, einen Pflegeberuf anzufangen?
Ich weiß wie kompliziert es ist, eine Ausbildung zu kriegen, da muss man hartnäckig bleiben. Viele die dasselbe wollten wie ich, haben aufgegeben. Von 10 Leuten habe ich damals 8 Leute gehen sehen. Ich habe mich durchgekämpft.
Manche Dinge sollte man auch von vorn herein mitbringen, du musst in dem Job eben gern reden und kommunikativ sein.
Denkst du auch, dass Humor wichtig ist?
Auf jeden Fall. Locker sein und ein Grinsen im Gesicht haben versetzt Berge. Natürlich nicht immer, oft ist Fingerspitzengefühl gefragt. Aber wenn ich schon mit einem ernsten Gesicht zu den Kundinnen und Kunden starte, wird das nichts. So wie man in den Wald hinein ruft kommt es zurück und wenn ich von Anfang an positiv gestimmt bin, läuft die Betreuung entspannter für beide Seiten ab.
Vielen Dank für deine Zeit, Wasim!
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